Noch etwas ungewohnt: Die Gemeinde gehört seit dem 1. Dezember 2021 zum neuen Bezirk Albstadt/Tübingen.
Vor dem Gottesdienst spielte ein Streicherinnensextett adventliche und weihnachtliche Weisen. Dank und Bitte waren Inhalt des Eingangsgebets: Eine neue Ausrichtung, neue Perspektiven, Gnade, Freude und Glaubensstärkung wurden erbeten und dafür gedankt, dass Gott uns anhört und versteht. Zu Beginn wurde ein Bibelwort verlesen, das am Sonntag zuvor Grundlage eines Gottesdienstes in Freudenstadt mit dem Kirchenpräsidenten Neuapostolische Kirche International und Stammapostel, Jean-Luc Schneider, gewesen war: „So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. … Darum tröstet euch untereinander und einer erbaue den andern wie ihr auch tut.“ (1. Thess 5, 6 u. 11). Vom Klavier (Markus Herr, der auch an der Orgel spielte) wurde das aufgegriffen „´Wachet auf`, ruft uns die Stimme…“ (Melodie Philipp Nicolai, 1556 – 1608, Gb der Neuapostolischen Kirche Nr. 389) und bestärkt. „Wach auf, lass dich nicht festhalten, schlaf nicht wie die anderen. Das bedeutet auch, sich nicht in alles mit hineinziehen zu lassen.“, betonte der Apostel den Weckruf. „Was mache ich mit meiner persönlichen Adventszeit?“, die Frage drängt sich auf. Damals, vor Christi Geburt, gab es keine Adventssonntage. Israel war ein von den Römern besetztes Land. Großer Druck lastete auf dem Volk. Dem römischen Kaiser ging es darum, möglichst viel Geld aus der Provinz herauszubekommen. Also war es wichtig, die Bewohner zu zählen. Danach ließ sich berechnen, wie viel an Abgaben kommen musste. Maria, im neunten Monat schwanger, folgte dem Aufruf, an der Zählung teilzunehmen. Für sie äußerlich eine Reise ins Ungewisse: Wie würde es vor Ort aussehen? Innerlich hatte sie aber die Gewissheit: Gott wird sicherstellen, dass ihr Sohn gesund geboren werden würde. Gott, der zwar hilft, aber selten die Verhältnisse ändert. Wie oft greift er nicht ein? Wir können es nicht wissen. Es macht keinen Sinn, die Dinge auf unsere Ebene herunter zu brechen. Bis zur Wiederkunft Christi werden Fragen offen bleiben. Nur eins ist gewiss: Der alte Gott lebt noch. „Lasst uns das in den Advent mit hineinnehmen.“
„Wachsam sein“ – Es gibt keinen „Hilfsautomatismus.“ Wer steht, sehe zu, dass er nicht falle. Wer bei der Wiederkunft Christi „dabei ist“, wissen wir nicht. Entscheidend: Wie nahe sind wir Christus? Man kann nur alles daran setzen, was man vermag, um Jesus in der eigenen Seele zu verwirklichen. Es gibt eine Einladung zum Heil. Es braucht unsere Entscheidung, um ihr nachzukommen. Ist das bei dir und mir schon so?
Wo setze ich die Prioritäten? Meine Beziehung zu Gott – da sind schlagartig Änderungen möglich. Auch in einer Gemeinde. Mach dir nichts vor. Wichtig ist deine Beziehung zum Herrn. Wer wachsam ist, lässt keine Müdigkeit aufkommen. Er achtet auf seine Fitness, seine Ernährung. Was erfüllt unsere Seele? Was sind unsere Gebete? Wie ist unser Dialog mit Gott? Wie geht man miteinander um?
„Nüchtern sein“ – nicht die Kontrolle verlieren. Bewusst mit Genüssen umgehen. Die „rote Linie“ ist: Nichts darf die Beziehung zu Gott und zum Nächsten stören. Die Not darf nicht größer als der Helfer sein. Ich muss Gefahren richtig einschätzen. Wenn mein Nächster „böse“ mit mir umgeht – wie gehe ich dann damit um? Mein Feind ist nicht der Nächste. Mein Feind ist der Böse. Christus sagte, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun (Vgl. Lk 23, 34). Die Beziehung zu Gott darf durch so etwas nicht leiden. Jesus bat alle Mühseligen und Beladenen zu sich (Vgl. Mt 11, 28). „Lasst euch mitnehmen auf dem Weg zur gemeinsamen Zukunft.“
„Tröstet euch untereinander“ – Als Einzelkämpfer ist es unmöglich, zum Ziel zu kommen. „Einer erbaue den anderen“ – Worüber sprecht ihr miteinander? Seelsorge ist eine Sache der ganzen Gemeinde. Bruder und Schwester so annehmen können, wie er/sie nun einmal ist. „Einer erbaue den anderen“ – Sprechen wir in der Familie, unter Glaubensgeschwistern, noch über Gottes Hilfe im eigenen Leben, haben wir einen Gedankenaustausch über die Größe Gottes in unseren Tagen? Zukunftshoffnung, die auf die Wiederkunft Christi, kann das eigene Leben bereichern. „Wir wollen die Adventszeit freudig und hoffnungsvoll im Blick auf die Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi gestalten!“
Der für Tübingen „neue“ Bezirksvorsteher Rainer Meyer war sich in seinem Beitrag zum Gottesdienst sicher, dass uns vieles im Hinblick auf diesen Tag vereint. Nicht zuletzt auch die gemeinsame Vorfreude. Um wach und nüchtern zu sein, braucht es alle Sinne. Um die zu schärfen, hilft es, ab und an mal den Blickwinkel zu wechseln. Eine Maßnahme, die sich im natürlichen Leben bei der Bildschirmarbeit bewährt hat. Gut ist es, einen Begleiter zu haben, in unserem Fall die Glaubensgeschwister aus der Gemeinde, die nicht zufällig dort sind. Was, nebenbei bemerkt, auch auf den noch neuen Zuschnitt des Bezirks zutrifft, fügte dessen Vorsteher hinzu.
Vor der Sündenvergebung und der Feier des heiligen Abendmahls betonte der Apostel die Wechselwirkung innerhalb der Gemeinschaft: Sich auch immer wieder fragen, was ich tun kann, um andere zu unterstützen. „Wir feiern jetzt gemeinsam das heilige Abendmahl. Haben eine Begegnung mit dem Herrn, der für dich und mich bezahlt hat.“
Im Schlussgebet war eine Bitte, dass Gott allen Menschen Kraft geben möge. empfinden können. Danach hieß es: Ja, man darf die Tage genießen. Das schließt ein offenes Herz nicht aus, besonders für die, die in diesen Tagen unfreiwillig allein sind.
Und, wie der Apostel später anmerkte, Tübingen ist doch immer wieder, auch musikalisch, für eine Überraschung gut: Es war zwar noch nicht Silvester, aber Markus Herr entzündete zum Abschluss ein musikalisches Feuerwerk an der Orgel, basierend auf der Melodie „Die Lenden lasst umgürtet sein, …“(Gb. Nr. 413, Komponist unbekannt). Ein Feuerwerk, das auch in diesem Jahr und auch im denkmalgeschützten Tübingen erlaubt ist.